03. Mai 2025 - 14. Sep. 2025

Museum Angerlehner

Ascheter Straße 54, 4600 Thalheim bei Wels

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Claudia Hirtl. Vermessung von Seinsweisen | Museum Angerlehner

Mit der Ausstellung Vermessung von Seinsweisen widmet das Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels vom 3. Mai bis zum 14. September 2025 der Künstlerin Claudia Hirtl eine umfassende Einzelausstellung, in welcher ihre sogenannten Hauptsätze im Fokus stehen - großformatige Malereien, ausgeführt in Eitempera und leuchtenden Pigmenten. Ihre auf den ersten Blick abstrakt wirkenden Werke sind dabei Ergebnis einer langjährigen und konsequenten Entwicklung ihrer einzigartigen Formensprache.

Claudia Hirtl, ehemalige Meisterschülerin und Assistentin von Wolfgang Hollegha, zog es in den frühen 80er Jahren nach Japan, wo sie mehrere Jahre lebte und studierte. Ein einschneidendes Erlebnis, aus welchem sich ihre einzigartige künstlerische Formensprache entwickelte, die zwischen Ost und West, zwischen Bild und Zeichen, zwischen Gestus und Bedeutung alterniert. Ihre großformatigen Werke erzeugen auf diese Weise ein eindringliches Spannungsfeld zwischen westlicher Abstraktion und asiatischer Zeichensprache.

Zentraler Aspekt ihrer Arbeit sind die japanischen Kanjis, bedeutungstragende Schriftzeichen, welche sie dekonstruiert und in vielen übereinander gelagerten Schichten auf die Leinwand transformiert. Claudia Hirtl arbeitet dabei ohne Skizze, ohne vorbereitende Zeichnung, die Überlegung entscheidet sich im Tun, wobei der Begriff des Zeichens der Leitfaden ist. In der Schichtung, Verdichtung und Verfremdung dieser Zeichen in Linien lässt sie eine Bildsprache entstehen, die dazu einlädt, tradierte Seh- und Lesegewohnheiten zu hinterfragen und neu auszuloten.

Hirtls Werke können als Ballungsräume der Ambivalenz zwischen fernöstlichem und westlichem Kunstverständnis gesehen werden. Die japanische Tradition des Zen, die dazugehörende Schreibkunst des Shodō sowie den Grund der Dinge zu erlangen ist klar im asiatischen Kunstverständnis zu situieren. Im westlichen Verständnis eröffnen sich Vergleiche zur Kunstgeschichte, beispielsweise zu der Farbwirkung der Modernisten über minimalistische Tendenzen und kulturtheoretische sowie philosophische Überlegungen.

Dennoch verschließen sich ihre Hauptsätze einer klaren Deutung. Sie sind chimärenhaft und spiegeln die Sinngebung des Betrachtenden wider. Die Bedeutung eines Zeichens gerät so in konstante Veränderung, je nachdem, aus welcher Seinsweise betrachtet wird. Während ein japanischer Blick dem Kanji eine bestimmte Bedeutung zuweisen kann, interpretiert ein westlicher durch den Filter seiner erlernten Kulturgeschichte. Durch die Fragmentierung, Schichtung oder Versetzung verrückt Hirtl das Kanji als erkennbares Zeichen, sodass es nicht mehr eindeutig zuzuordnen ist. Es wird Liniengeflecht aus Bewegung, das an die stetig sich ändernde Bedeutung des Sinns und der Wahrnehmung erinnert.

Die großformatigen Werke von Claudia Hirtl verdeutlichen in dieser Hinsicht die verschiedenen Modi des Seins, in welchen die Existenz nicht nur eine objektive Gegebenheit ist, sondern sich in unterschiedlichen Formen und Perspektiven manifestiert. Die Materialität der Eitempera, die leuchtenden Pigmente, die feinen Nuancen der überlagerten Farbschichten, die bewusste Reduktion und Komprimierung der Farbpalette sowie die schiere Größe der Arbeiten ermöglichen ein tieferes Eintauchen in das Werk und eine intensive Reflexion über das eigene Selbst.

Claudia Hirtls Arbeiten verbleiben stets im Moment der Andeutung. Sie stehen solitär als poetische Denkräume, die sich nicht auf feste Bedeutungen festlegen, sondern auf konstante Veränderung setzen. Sie sind im Kontinuum, bedingen eine intensive Betrachtung und eine Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung. Sie bewegen sich zwischen Bedeutung und Deutung, zwischen Struktur und Auflösung, zwischen Nähe und Distanz. Dabei entfaltet sich die Bildsprache im Außen, während der Denkraum nach Innen führt - als eine stete Vermessung von Seinsweisen.

Kurator: Mag. Antonio Rosa de Pauli


Ausstellungsdauer:
3. Mai bis 14. September 2025 | Große Ausstellungshalle
Ausstellungseröffnung: 3. Mai 2025, 15:00 Uhr
Öffnungszeiten: Samstag 14:00 - 18:00 Uhr, Sonntag 10:00 - 18:00 Uhr | Montag bis Freitag auf Anfrage (nur für Gruppen)