Meine Häuser in den Wolken. Die fantastische Welt des Andrzej Pietrzyk | Museum Angerlehner
Mit Andrzej Pietrzyk (Andjé) präsentiert das Museum Angerlehner eine Entdeckung jenseits der Jetztzeit: einen eigentümlich "luftwurzelnden Baumeister", einen figurativen Zeichner, expressiven Maler und barocken Bildhauer zu gleichen Teilen.
Warum Andjé, 1959 in der Nähe von Krakau (PL) geboren, 1999 just ein industrielles Randstück von Linz zu seiner Basis erwählte, hatte nicht zuletzt mit dessen Lage und dem Ortsnamen "Neue Heimat" zu tun. Dort, in einem amorphen Fabrikareal in der Mitte Europas, zwischen Bahngleisen und Ausfallstraße, unweit der großen Donau ist alles so offensichtlich "im Fluss". Über die Jahre baute er die temporäre Bleibe immer weiter aus, sie wurde zum Ort seiner Werkstätten, Gärten und Depots. Es entstand ein verschachteltes und sinnliches Künstlerfürstentum, das trotz der Präsenz vieler Monumentalplastiken in seiner Luftigkeit besticht.
Metaphern des Transitorischen prägen entsprechend auch seine Kunstwerke. Mit ihnen sucht Andjé nach ikonischen Fassungen für die existentielle Situation des Menschen. Seine kunsthistorischen Gesprächspartner in diesem Ringen reichen von Michelangelo Buanarroti bis Alberto Giacometti, von Auguste Rodin bis Francis Bacon.
Sie bilden seine formalen und inhaltlichen Reibungsflächen. Dabei ist er ein Künstler, der gerade die Ortlosigkeit des modernen Lebens wie ein Magier in Schönheit verwandeln kann, er ist ein Maler und figurativer Bildhauer, der seit Jahrzehnten mit brillanten Techniken, Takt und Feingefühl immer wieder im luftigen Raum von Berlin, Südfrankreich, Miami oder eben Linz fantastisch-dichte Welten kreiert.
Für die von Vitus Weh dramaturgisch und kuratorisch betreute Ausstellung "Meine Häuser in den Wolken" hat Andjé die große ehemalige Werkhalle im Museum Angerlehner in ein begehbares Künstleratelier verwandelt. Rings über die Wände zieht sich ein Fries von Wolkenbilder, der die Halle bis zu deren Horizont erweitert. Das Format seiner Wolkenbilder, die speziell für den Anlass gefertigt wurden, ist intim aber enorm verdichtet. Ihre malerische Energie entspricht gleichsam den auf ihnen schwebenden / fallenden / ziehenden Wassermassen.
Inmitten dieser atmosphärischen Weite wiederum umkreist Andjé das Pathos des menschlichen Lebenswegs mit ausgesuchten Skulpturen aus verschiedenen Jahrzehnten. Wie in seiner Werkstatt überlagern sich dabei unterschiedliche Stadien des Entwurfs, der Materialität und der Größendimension zu temporären Konstellationen. Mittels diverser Modelle werden zudem komplexe Raumideen und Platzgestaltungen skizziert. Manchmal sind es Kombinationen aus malerischen Visionen und Figurenmodellen (Bozzetti), andermal Überlegungen zu räumlichen Abfolgen aus Türen ("Porta della vita") und multisensorischen Erlebnisorten. Einzelne 1:1-Werkstudien ermöglichen dabei die Skalierung der Modelle.
Besonders eindrücklich und in ihrer Größe real sind seine Werkstudien für eine Figurengruppe, die Gustav Klimt und Emilie Flöge gewidmet ist. Die Skulpturen sind eine Art Reenactment einer Fotografie von 1909, die beide Personen in Reformkleidern zeigt. Es wäre eine ebenso theatralische wie schlichte Erinnerung an ein sich gegenseitig inspirierendes Liebespaar. Letztlich ist das Werk aber noch nicht realisiert, d.h. nicht abgeschlossen. Entsprechend zeigt die Ausstellung die Flöge&Klimt-Gruppe in unterschiedlichen Körperkonstellationen. Jede präsentiert einen anderen Ausdruck, eine andere Möglichkeitsform der Beziehung.
Viele Werkgruppen in der Ausstellung deklinieren zudem die verschiedenen Stadien des skulpturalen Entstehungsprozesses durch: von der kleinen Wachsskizze bis zum 1:1-Gipsmodell, von der Silikonform bis zu den unterschiedlichen Materialmöglichkeiten des Gusses selbst. Alles in der Halle ist buchstäblich noch auf der Werkbank, resp. dem Bildhauerbock. Vorderhand geht es um die Bildersuche eines Künstlers, mit seinem Bühnen-Setting präsentiert Andjé aber zugleich ein Großbild für unser aller Leben im Fluss.
Zum Künstler:
Andjé (Andrzej Pietrzyk) wurde 1959 in Polen geboren und agiert als
Universalkünstler in den Bereichen Zeichnung, Malerei und Bildhauerei. Er studierte
Kunst in Polen, dann Monumentalbildhauerei an der Kunstakademie Ilja Repin in St.
Petersburg. Ein Stipendium an der Ecole des Beaux Arts in Paris folgte. Seit 1991
ist Linz sein Lebensmittelpunkt und von dort verschlägt es ihn in die Welt: nach
Berlin, Südfrankreich, zu den Biennalen nach Venedig und Istanbul, nach New York
und Miami.
Texte zur Ausstellung, Kurator: Vitus Weh
Ausstellungsdauer: 5. November 2023 bis 7. April 2024
Ausstellungseröffnung: 5. November 2023, 15:00 Uhr
Öffnungszeiten: Samstag 14:00 bis 18:00 Uhr, Sonntag 10:00 bis
18:00 Uhr, Montag bis Freitag: auf Anfrage (für Gruppen)