win > < win. von Rimini Protokoll (Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel) | Sonderausstellung im Schlossmuseum Linz
Seit über 670 Millionen Jahren gibt es Quallen auf dieser Erde - und so ziemlich
alles, was unserem Ökosystem schadet, begünstigt ihre Existenz. Die Zahl der
Quallen nimmt weltweit zu. Biolog*innen haben daher immer wieder die gleiche
Prognose gestellt: Wenn alles andere zugrunde gegangen ist, werden Quallen die
einzigen Überlebenden sein.
Die Gründe dafür sind vor allem menschengemacht. Die Überfischung der Meere stört
das empfindliche ökologische Gleichgewicht, die Bestände kollabieren. Dies sorgt
auch für einen Schwund an Raubfischen, die bislang die Quallenpopulation begrenzt
hatten. Die seit der Industrialisierung immer rascher voranschreitende
Klimaerwärmung verlängert die Brutsaison der Quallen, während viele Fische unter
dem niedrigeren Sauerstoffgehalt des Wassers leiden. Durch Verschmutzung und
Übersäuerung der Meere entstehende "Todeszonen" sind für Quallen ein wahres
Eldorado. Die gefräßigen Räuber stören durch ihr Fressverhalten die maritimen
Nahrungsketten erheblich, was nicht nur Auswirkungen auf die übrigen Meeresbewohner
hat, sondern wieder auf uns Menschen. So drohten in den letzten Jahren
Quallenblüten die örtlichen Fischbestände in Japan und Südaustralien auszulöschen.
Immer häufiger kommt es zu monumentalen "Quallenblüten", also dem massenhaften
Auftreten großer Quallenschwärme, die nicht nur eine Gefahr für Natur und Tierwelt
darstellen, sondern auch für uns Menschen. So hatte das schwedische Kernkraftwerk
Oskarshamn 2013 drei Reaktoren herunterfahren müssen, nachdem eine Qaullen-Invasion
die Rohrleitung des Kühlsystems verstopft hatte.
Die australische Meeresbiologin und Quallen-Expertin Lisa-Ann Gershwin meint dazu:
"Wir sind in der verrückten, unerwarteten und unverständlichen Situation, dass wir
im Wettbewerb mit den Quallen stehen. Und sie sind dabei, zu gewinnen." Das
audio-visuelle Erlebnis im Schlossmuseum konfrontiert die Besucher*innen mit diesen
faszinierenden Kreaturen und zwingt zur Auseinandersetzung mit dem apokalyptischen
Überlebenskampf unserer Zeit. Der beobachtende Blick auf die Nesseltiere wird
schließlich zum entlarvenden Blick auf die Beobachter*innen selbst. Und damit zum
Anstoß einer Selbstreflektion, die hoffentlich zum Umdenken führt. Denn die
effizienteste Waffe gegen den Untergang der Menschheit ist immer noch ihr
Verstand.
Die Installation win > < win wurde 2017 produziert vom CCCB (Barcelona) in
Ko-Produktion mit FACT+BLUECOAT+RIBA NORTH (Liverpool), im Rahmen der Ausstellung
"After the End of the World" (kuratiert von José Luis de Vicente).
Konzept, Regie und Komposition: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel
Mit: Jamileh Javidpour (Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung) - Daniel
Strozynski (Zoo Berlin | Aquarium Berlin | Tierpark Berlin) - Lisa Ann Gershwin
(Autorin von "Stung! On Jellyfish Blooms and the Future of the Ocean", Hobart,
Australien) - Boris Koch (Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz- Zentrum für Polar-
und Meeresforschung) u.a.
Sound-Synchronisation: Andreas Mihan
Ausstellungsdauer: 8. September 2020 bis 20. Februar 2021